In den 1920er Jahren erlebte die Welt nicht nur die Goldenen Zwanziger, sondern auch eine der tragischsten Geschichten industrieller Ausbeutung, die Geschichte der Radium Girls. Junge Frauen, die dachten, sie hätten den Traumjob gefunden, bezahlten ihn am Ende mit ihrem Leben. Ihre Geschichte ist nicht nur erschütternd, sondern auch ein Wendepunkt für den Arbeitsschutz.
Nach dem Ersten Weltkrieg boomte die Uhrenindustrie. Besonders beliebt waren Uhren mit leuchtenden Ziffern, die auch im Dunkeln zu sehen waren dank eines neuen Wundermittels: Radium. Es war ein radioaktives Element, das damals als harmlos galt und sogar in Kosmetikprodukten und Zahnpasta verwendet wurde.
Viele junge Frauen fanden Arbeit in Fabriken, in denen sie diese Leuchtfarbe auf Ziffernblätter auftrugen. Der Job war beliebt, weil er gut bezahlt wurde und weil die Arbeit als leicht galt. Die Frauen wurden sogar angewiesen, ihre Pinsel mit den Lippen zu spitzen, um besonders präzise arbeiten zu können, eine Methode, die als „lip-pointing“ bekannt wurde.
Was die Frauen nicht wussten: Mit jedem Pinselstrich nahmen sie kleine Mengen Radium auf, direkt über den Mund. Über die Jahre sammelte sich die Strahlung in ihren Körpern an. Zuerst waren es Zahnschmerzen, dann lockerten sich ganze Kieferpartien, Knochen bröckelten, Tumore bildeten sich. Ärzte standen vor einem Rätsel, bis sie erkannten, dass die Ursache in der Radioaktivität lag.
Viele dieser Frauen starben einen qualvollen Tod. Aber einige von ihnen beschlossen, zu kämpfen.
Eine kleine Gruppe der Radium Girls klagte gegen ihren Arbeitgeber, obwohl die Firma versuchte, alles zu vertuschen. Die Frauen hatten kaum Geld, gesundheitlich waren sie schwer angeschlagen und doch gewannen sie den Prozess. Der Fall ging in die Geschichte ein und führte schließlich zu strengeren Arbeitsschutzgesetzen und einer Neubewertung des Umgangs mit radioaktiven Stoffen.
Die Geschichte der Radium Girls zeigt, wie gefährlich Unwissenheit und Profitgier sein können und wie wichtig es ist, für seine Rechte einzustehen. Sie ist ein Beispiel dafür, dass auch scheinbar machtlose Einzelne große Veränderungen bewirken können.
In einer Zeit, in der Arbeitsschutz oft selbstverständlich wirkt, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, wie hart er erkämpft wurde, unter anderem durch den Mut junger Frauen, die nie aufgegeben haben.
Tipps:
Wer sich für die Geschichte der Radium Girls interessiert, findet Bücher, Filme und Theaterstücke zu dem Thema, z. B. der Film “Radium Girls”, oder das Buch The Radium Girls von Kate Moore. Ein packender Einblick in eine schockierende Wahrheit.